Fragt hier nach Erfahrungen die andere gemacht haben und / oder gebt Eure Erfahrungen hier zum Besten. Auch für Kleinanzeigen zu Bekleidung.
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Dichtkunst im Test

So 16. Aug 2015, 15:24

Wie dicht ist dicht? Ein Selbstversuch

Nach den langen, trockenheißen Wochen der erste Regen, geradezu eine Einladung, mal unter anderen Umständen Motorrad zu fahren. Wie dicht sind die „wasserdichten“ Kombis? Testobjekt ein „deutscher“ Textilanzug (also aus dem Land der Dichter und Denker), nach meinen Informationen in Vietnam gefertigt. Die Funktionsunterwäsche an, rein in den Zweiteiler, die Belüftungsöffnungen schließen, zwei an jedem Ärmel, je einer an den Brustseiten und ein langer quer über dem Rücken. Die Hose ohne besondere Lüftungsöffnungen. Der Frontreißverschluss besitzt zusätzlich eine breite Labyrinthfalte, darüber Druckknöpfe und Klettabschnitte. Direkt dahinter linksseitig eine mit Reißverschluss versehene Tasche, geeignet für ein Smartphone mit 5-Zoll-Anzeige. Die Seitentaschen, gekennzeichnet mit einem Aufnäher „waterproof“, haben zum Reißverschluss noch eine Faltenkonstruktion, gesichert mit Druckknöpfen. Die Hose, ebenfalls mit zwei Taschen ausgestattet, welche in ähnlicher Weise dem Wasser trotzen sollen. Dazu ein Windkragen (unter die Jacke), Sturmhaube und ein Polyesterschlauch am Hals. Gekrönt wird das Ganze mit einem Integralhelm, nebst Pinlock-Visier. Das untere Ende wird mit „wasserdichten“ Stiefeln geschützt. Die Handschuhe entstammen der Marke des zweiteiligen Anzugs. Letztere sind nirgendwo besonders bezüglich ihrer Wasserdichtheit gekennzeichnet, vielleicht besitzen sie eine Membran, vielleicht auch nicht. Der Fahranzug ist seit drei Saisons in Benützung, die bereits damit zurückgelegten Kilometer allerdings nicht nachvollziehbar.

Für den Test kommt ein Blatt Papier in die linke Jackentasche, in die rechte ein Stofftuch. Die oberen Außentaschen bleiben leer, die Smartphonetasche bekommt mutig ein Smartphone verpasst. In die Hosentaschen wird als Feuchteindikator ebenfalls Papier und etwas Baumwollgewebe eingesteckt, sodann alles sorgfältig verschlossen. Die Testbedingungen: ordentlicher, gleichmäßiger Landregen, kein leichtes Schauerchen, aber auch kein Wolkenbruch. Gemäß den in den Fachzeitschriften immer wieder zu findenden Hinweisen, verschwindet die Stulpe des linken Handschuhs unter dem Ärmel, rechts wird die Stulpe über den Ärmel gezogen. Das Testareal: die deutsche Landstraße. Vielleicht sollte ich noch dazu sagen, dass ich bei Regen zu einer extrem defensiven Fahrweise neige.

Die ersten Kilometer, wie zu erwarten, völlig ohne Auffälligkeiten. Die rechte Ellenbeuge meldete nach etwa 12 Kilometern eine gefühlte Feuchte. Wie sich herausstellen sollte, keineswegs nur gefühlt. Der linke Unterarm hatte einen Wasserzutritt schon nach rund 3 Kilometern gemeldet, soviel zum Thema Fachzeitschriftentipps. Nach etwa 20 Kilometern Feuchte im Schritt, kühle Feuchte um es klar auszudrücken. Wenig später ein ähnliches Gefühl an den Unterseiten der Oberschenkel. Kurz darauf begann es an der rechten Hand zu feuchten, Wasser kam über den Bereich des Stulpenkletts zum Handgelenk und in der Folge auch noch tiefer. Die XJ 900, welche ich wegen ihrer sanften Gasannahme als Gefährt ausgewählt hatte, war von alledem nicht beeindruckt, auch die Reifen machte nicht den geringsten Rutscher, wie gesagt, ich gehe unter diesen Witterungsbedingungen eher defensiv an Griff, Pedal und Hebel. Das gesetzliche Limit wurde ausgeschöpft, sicher kaum ein klein wenig mehr. Die Fahrt durchs verregnete Mittelgebirge machte ob der moderaten Temperaturen und des sehr geringen Verkehrsaufkommens sogar Spaß. Freude bereitete auch das Visier, trotz pausenloser Bewässerung, halb geschlossener Helmbelüftung und fortgesetzten Atmens, keine Tendenz zum Beschlag. Auch meine Brille blieb klar.

Ein kurzer Besuch am Schottenring, dort herrschte intensive Abreisestimmung und trübe Sicht, dann die Umkehr. Die Feuchtezonen hatten sich inzwischen weiter ausgedehnt, die Handschuhe kaum merklich gut und gleichmäßig durchfeuchtet. Wahrscheinlich keinerlei Membran verbaut, nur ein dezenter Hinweis auf besondere, vor Kälte schützende Isolierfasern ist gut sichtbar angebracht. Eine langsame Baustellenampel nebst heftigem Abreiseverkehr vom Schottenring-Grand-Prix, fügte etwas Standzeit in den Test. So nach und nach zog die Feuchte dann von der Sitzfläche der Schwerkraft folgend in Richtung Stiefel. Erstaunlich, der Halsbereich immer noch trocken, vielleicht auch durch die Tourenscheibe ein wenig geschützt. Die restlichen Kilometer dann unspektakulär, wenig Verkehr und gleichmäßiger Regen, Tempo am Erlaubten, meistens jedenfalls.

Die Bilanz nach 75 Kilometern und einer guten Stunde: Nass. Membran hin, Membran her, Feuchte fast überall. Die Handschuhe hatten die Konsistenz eines bewässerten Badeschwamms, da ist wirklich keine Membran drin. Die Unterwäsche war, und darin bewies sie sich als gutes Feuchtemessgerät, bis auf einen Bereich am Rücken – wie weiland bei Siegfried bei der Panne mit dem Drachenblut - nass. Die Stiefel hielten definitiv dicht, allerdings war von oben Wasser in die Schäfte vorgedrungen, aber nur das Gesamtpaket zählt, das ist hier nicht anders als in der Formel 1.

Alle Testpapiere und –tücher waren gut durchfeuchtet, wenn auch nicht tropfnass. Das Smartphone im unteren Drittel nass, wenngleich funktionstüchtig. Waterproof meint eben doch nur, dass mit Wasser geprüft wurde, über das Prüfungsergebnis belässt man den Kunden im Unklaren.

Fazit: Das Membranzeug ist nicht dauerhaft dicht, hält vielleicht bis zur nächsten Brücke. Ich sollte ergänzen, dass aus der Vergangenheit ähnliche Erfahrungen mit anderen Anzügen vorliegen, es sich somit nicht um einen Einzelfall handelt. Um eine Regenkombi kommt man offensichtlich trotz aller High-Tech-Membranen nicht herum.

Sollte jemand einen andere, d. h. bessere Erfahrung gemacht haben, so wäre ich um eine entsprechende Produktempfehlung sehr verbunden. Regen ist schließlich nicht die Ausnahmeerscheinung und kann schon mal ein paar hundert Kilometer anhalten.

Die genau inspizierten Koffer (original Yamaha) und das Top-Case waren besser dabei, lediglich an einem Koffer eine kleine Portion Wasser, vielleicht kann das mit einem neuen Dichtring (woher?) abgestellt werden.

So 16. Aug 2015, 15:24

So 16. Aug 2015, 16:06

Schön geschrieben.
Ich habe auch noch keine wirklich dichten Klamotten erwischt.
Nur meine Belstaff Wachsjacke in den 80ern war Top. Aber da war ich höchstens mal ne Stunde am Stück unterwegs.

Grüße aus der Südheide

So 16. Aug 2015, 16:12

Hi rricherd,

ich habe 10 Jahre lang eine Reuschkombi von Polo gefahren. Dann wurde eine Naht undicht. Gleichzeitig war ich in Körpermitte rausgewachsen.
Die Held-handschuhe haben nicht ganz so lange gehalten.

Seit 2 Jahren fahre ich ein Büse-Hose und eine Held-Jacke. Dazu wieder Held-Handschuhe.

Wasserdicht ist das alles, so dass ich schon lange keine Regenkombi mehr habe.
Die Handschuhe habe ich bei der reusch über den Ärmeln getragen. Nach 2 Stunden Dauerregen waren die Handschuhe dann auch nass, weil das Wsser über die Ärmel reinläuft. Hatte ein zweites Paar im Koffer.
Bei der Held muss ich die Handschuhstulpen in den Ärmel stecken. Jetzt werden 2 cm der Ärmel nass, was bei Pausen sehr unangenehm ist.

Welche Marke hast Du denn getestet?

So 16. Aug 2015, 16:41

Meine Büse Jacke liegt auch deutlich über den von Richard vorgegebenen Zeiten. Allerdings ist immer nach dem Abtrocknen im Regeneinsatz die schweinische Sprayimprägnose angesagt. Die Membran allein schafft es wohl nicht, wobei es wahrscheinlich deutliche Unterschiede zwischen den Texen gibt.

Leider ist die Jacke ein älteres Modell, Superprotektoren aber miserable Anschlüsse an Hals und Händen.

Olaf

Nachtrag

Mo 17. Aug 2015, 04:04

Hatte ich oben vergessen:

Alle als wasserdicht deklarierten Taschen waren / sind es auch. Die anderen natürlich nicht.

Bei der Reuschkombi hatte ich anfangs das Problem, dass Wasser von unten die Jacke hochkroch und irgendwann auch die Innentaschen feucht wurden.
Bis ich dann die Idee hatte, bei regenfahrten den unteren Gummizug an der Jacke zuzuziehen. Da war das Problem weg.

Mo 17. Aug 2015, 16:39

Danke schon mal für die Rückmeldungen, vielleicht kommen noch weitere. Mit dem Vertreiber habe ich Kontakt aufgenommen, er geht davon aus, dass zu wenig Imprägnierspray die Ursache darstellt. Ich bin da skeptisch, als wasserdicht besonders gekennzeichnete Taschen benötigen Imprägnierspray? Schwer vorstellbar. Die Dichtheit sollte doch primeur von den Wundermembranen kommen, das Spray doch sicher nur unterstützend wirken.

Wie dem auch sei, der inzwischen trockenen Kombi habe ich eine ordentliche Ladung Spray verpasst, zu einen Test konnte ich mich - trotz des verhaltenen Dauerregens - noch nicht entschließen. Die Handschuhe sollen trotz der immensen aufgenommenen Wassermenge eine Membran besitzen. Schwer zu glauben. Sie sind übrigens immer noch spürbar feucht, der Rest ist wieder nutzbar.

Bei den einschlägigen Versendern fand ich ein paar Kommentare zu diversen Kombis. Die Wasserdichtheit und Funktionalität schwankt offenbar auch innerhalb von Marke und Typ. Der Preis und die Marke taugen nur bedingt als Indikator für den Effekt im Alltag. Rukka ist auf jeden Fall teuer, die Mängel scheinen gering. Manche bescheinigen ihrer Kombi denn auch schon mal 4 Stunden Regenfestigkeit. Wenn ich da an meine letzte Heimfahrt denke, 9,5 Stunden. Kaum vorstellbar, in welchem Zustand ich angekommen wäre, hätte es durchgehend Regen gegeben.

Es ist doch nicht zu viel verlangt, wenn man nach über 100 Jahren Motorrad und der schon fast vergessenen Mondlandung eine Kombi erwartet, mit der man trocken von A nach B kommen kann. Wenn ich nass werden will, fahre ich im EOS. Im Ernst, zum Wasserski fahren kann ich einen Trockenanzug nehmen und bleibe ohne wenn und aber trocken, warum also nicht auch bei den wesentlich teureren Motorradklamotten?

Die Ein-Mann-Sauna Regenkombi scheint immer noch eine Daseinsberechtigung zu haben.

Also, weitere Erfahrungen sind heftigst erwünscht.

rr

Mo 17. Aug 2015, 17:26

Der Witterung können wir wohl nicht wirklich etwas entgegensetzen. Zumal ich auch das Gefühl habe, dass die Qualität immer weiter zurückgeschraubt wird. Wenn ich mir das ansehe was als Funktionswäsche angeboten wird, ist es meist billiger Mist. Wenn Naturfasern gezielt eingesetzt werden, kann man hinsichtlich der Temperatur schon einiges regeln. Nur diese sind nicht billig und so auch wegen der fehlenden Nachfrage, nicht einfach zu bekommen. Verzichtet man auf Membranen, lässt sich die Feuchtigkeit von außen besser vom Körper fern halten, jedoch müssen Kleidungsstücke her, die die Verdunstung des Körpers aufnehmen und Sauerstoff für die Haut bereit halten. Somit bliebe die Zeit zum gut erträglichen Fahren begrenzt.
Ich habe auch schon nach Kombis geschielt. Daher bin ich auf gute Erfahrungen gespannt...

Die Zeit in der ich wirklich viel gefahren bin, liegt nun etliche Jahre zurück, und somit auch meine Erfahrungen. Bekannte wohnten damals 150 km Autobahnfahrt entfernt, und ich bin die Strecke oft in Regen gefahren. Kombi an, Melkfett auf die Nähte und ab ging die Post. Kann sein dass ich die unangenehmen Erlebnisse dabei verdrängt habe.
Gruß Rainer

Mo 17. Aug 2015, 17:36

Richard, wenn du nicht nass werden willst, darfst du nicht auf Schönheit achten. Die guten Wathosen aus dem Fischereibedarf sind unschlagbar. Ansonsten ist ein Problem der Membranen, dass sie bei zu langer Trockenheit das Maul bzw. die Poren aufsperren. Dann geht halt Dampf und Wasser durch. Aussen drüber ist ja nicht etwa Goretex sondern Nylongewebe. Das kriegst du mit Imprägnose so weit dicht, dass sich die Membrane innen langsam an die Feuchtigkeit gewöhnen kann und allmählich die Poren schließt.

Grüße, Olaf

Mo 17. Aug 2015, 17:47

die Poren schließen. Also wie beim Braten braten? Ok, der Test wird unweigerlich kommen.
Die Membran der Handschuhe jedenfalls sollte bestimmt nicht mehr unter Trockenrissen leiden, nass innen und außen. Lässt sich auch ganz leicht mittels eines gefüllten Eimers testen. Wartet nur ab, wenn sie trocken sind, bekommen sie einen Tauchkurs bei 0 km/h.

rr

Di 18. Aug 2015, 05:50

Ich habe eine wasserdichte Lederkombi von Hein Gericke, die ist weitgehend dicht, zumindest so dass auch bei starkem Regen ich nicht ertrinke.
Im Laufe der Jahre hat sie aber an Dichtigkeit verloren, nicht so schlimm, denn die meist auf langen Strecken bewegte FZ 750 schützt mich durch ihre Verkleidung. Selbst die Hände werden nicht richtig nass wenn ich über 60 km/h fahre, denn die beiden "Eselsohren" an der Verkleidung halten die Luft und damit den Regen ab. Ich habe mit diesem Motorrad wärmere Hände als mit der unverkleideten XJ 650 mit Griffheizung (Sito).

Alle meine Stiefel sind 100 % wasserdicht, Wasser das, immer wie auch immer dort reinkommt, geht niemals wieder raus. :-P

Tscharlie

Fr 12. Mai 2017, 08:42

Zudem ist es bei den Membranen auch so, dass die nur vernüftig arbeiten wenn ein ausreichend hoher Temperaturunterschied zwischen Innen- und Außenseite vorhanden ist.
Sollte man meinen "ist doch" -> Körper=+30Grad, Regen=deutlich drunter. Denkste, nur wenn die Kleidung eng anliegt funktionert das, bei weiten Jacken/Hosen wird die Membran nicht ausreichend auf der Innenseite erwärmt, bzw. wird einfach von außen zu stark gekühlt und das war's dann.
Das hat umgekehrt den Effekt, dass die Membranen, die ja auch bei trockenem Wetter und hohen Außentemperaturen die Feuchtgkeit (Schweiß) von innen nach außen abgeben sollen damit man nicht im eigenen Saft gesotten wird, ebenfalls gerne versagen und man durchnässt vom Bock steigt.
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