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BeitragVerfasst: So 20. Aug 2017, 17:24 
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Schrauber
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Registriert: Do 1. Feb 2007, 20:28
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Ich versuche jetzt mal die beiden Reiseberichte meiner Zeitreise (1978/2008)hier einzustellen, mal schauen ob ich das hinbekomme:





Erstmal ein paar Worte vorweg:

ich hoffe die beiden folgenden Reisen sind nicht zu Off Topic, denn die bin ich ausnahmsweise mal nicht mit der XJ gefahren, sondern mit einem etwas älteren Motorrad. Bei der ersten Reise war die XJ noch nicht mal konstruiert.
Ich hatte diese Reisen mal in unserer Clubzeitschrift (MTC 40 +) veröffentlicht und werde Sie nun eventuell Interessierten hier im Forum zugänglich machen.


Ich hatte das Motorrad ( damals sagten die wenigsten Moped dazu, für mich ist es heute ebenso wie die XJ immer noch ein Motorrad) entsprechend dem damaligen Zeitgeist etwas japanisiert. Ja, es waren auch Yamaha Teile verbaut. Der Motor mag vielleicht (Mikuni Vergaser mit Eigenbauluftfilter sowie leicht veränderte Steuerzeiten,höhere Verdichtung usw.) auch 11 oder 12 PS gehabt haben, weis ich nicht genau. Sie war auch etwas länger übersetzt.


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3 Monate nach der Reise wurde Sie dann durch eine nagelneue SR 500 ersetzt und für 2 Jahre abgemeldet. Als ich feststellte, daß der Wintereinsatz der SR 500 arg zusetzte, reaktivierte ich die DKW wieder und nutzte Sie hauptsächlich in den Wintermonaten, bis heute. Im Laufe der Jahre baute ich das Motorrad nach und nach weitgehend in den Originalzustand zurück. Optisch ginge wohl noch was, aber dann wäre sie mir für den Winter zu schade. Schließlich sind in den vergangenen 40 Jahren gute 100 000 Km damit zusammengekommen, natürlich nicht mit einem Motor, habe aktuell 4 davon. Kommt auch heute noch vor, daß Sie z.B. mal fürs Wochenende mit Campingausrüstung zum Enfield Treffen in der Nähe von Hamburg oder andere diverse längere Strecken herhalten muß. Dortmund-Dangast-Dortmund ist 3 jahre her, ca. 600 Km an einem Tag ohne einen Meter Autobahn.



Also, dann fange ich mal an:

Wir schreiben das Jahr 1978.
Es ist Ende September und die Sonne hat noch ein paar wärmende Strahlen übrig. Hinzu kommt, daß ich 10 Urlaubstage vor mir habe. Was spricht also dagegen, diese Zeit zu nutzen und mit meiner 20 Jahre alten DKW RT 175 VS (9,6 PS) einen Abstecher zum Mittelmeer zu machen.

Ich habe die Maschine vor gut einem Jahr für 100 DM von einem Freund erworben und damit schon einige Tagestouren zur Eifel und Mosel unternommen (immer so 400 bis 500 Km). Also, Campingausrüstung auf das Motorrad geschnallt und los geht`s.

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Von Dortmund bis Aschaffenburg mit 90 über die Autobahn (mancher 34 PS Käfer fährt nicht viel schneller) und dann weiter durch das schöne Taubertal entlang der romantischen Straße

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hier Rothenburg o.d.T.


bis nach Utting am Ammersee. Hier wird zum ersten mal das Zelt aufgebaut.

Sonnenlicht durchflutet das Zelt,verdammt, es ist schon 9 Uhr, ich habe vergessen den Reisewecker aufzuziehen. Nun aber schnell alles zusammengepackt und auf`s Motorrad geschnallt. Währenddessen erschallt aus meinem Kofferradio der Hit "Oxygene" von Jean Michel Jarrè.
Diesen Ohrwurm werde ich bis Kufstein nicht mehr los.

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Ab hier überwältigt mich die beeindruckende Bergwelt, deren Farben in der Herbstsonne zur Höchstform auflaufen. Es geht durch den kilometerlangen Felberntauerntunnel in Richtung Spittal und von dort weiter zum Faaker See. Nun heißt es wieder Zelt aufbauen. Bei "Dreams" von Fleetwood Mac schlafe ich ein.

Vereinzelte Regentropfen prallen auf das Zelt, vermehren sich dann zu einem wahren Stakkato. Da lässt es sich nicht mehr gut schlafen, zumal ich feststellen muß, daß dieses Zelt nicht mehr dichthält ( kein Wunder, ist ja auch noch älter als die DKW). Morgens packe ich das pitschnasse Zeug auf`s Motorrad. Der Hauptständer versinkt im Schlamm und in der logischen Folge kippt die ganze Fuhre in denselben. Jetzt aber schnell weiter in den vermeintlich sonnigen Süden. Der Wurzenpass wird im ersten Gang erobert, am Straßenrand stehen einige Autos mit geöffneten Motorhauben, deren Kühler übergekocht sind.

Es geht über Ljubeljana nach Postonja, wo der Regen langsam etwas nachlässt. Die Lokalmatadoren liefern mir mit ihren 700er Zastavas immer wieder Sprintrennen, haben aber erst ab 60 Km/h eine echte Chance.
Pitsch, Gaszug gerissen, da ich aber alles dabei habe ist das Problemchen nach einer halben Stunde aus der Welt.

Erste Palmen zeugen vom mediterranen Klima und tatsächlich, am frühen Nachmittag bin ich am Ziel: Opatija! Ein mondäner Ort direkt am Mittelmeer, hat irgendwie italienisches Flair.

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Da es immer wieder regnet wird erst mal ein Zimmer gesucht und gefunden.

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Anschließend nehme ich ein Bad im Mittelmeer. Abends treffe ich einen Motorradfahrer aus Berlin. Er ist mit seiner nagelneuen Yamaha XS 1100 mit gigantischen 95 PS hierhergekommen. " In Berlin braucht man diese Leistung, man muß große Entfernungen überbrücken um in die BRD zu gelangen" höre ich ihn sagen. Na ja, wenn das so ist.
Am nächsten Tag durchwachsenes Wetter, aber wenigstens ist es warm. Nochmal ein Bad im Mittelmeer (habe schließlich Schnorchel und Schwimmflossen mitgenommen) und im Ort die Seele baumeln lassen.

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Nun ist der 5. Tag. Das Wetter ist immer noch mäßig. Also Motorrad gepackt und ab in Richtung Heimat.

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Abends in der Dunkelheit (das fahren macht mit 6 Volt nicht wirklich Spaß) finde ich ein Zimmer in Miesbach ( Bayern). Am nächsten Tag geht es bei starken Sturmböen weiter. Selbst auf den Geraden sind 30 Grad Schräglage erforderlich.
Vorbei am Audi Werk in Ingolstadt, etwa hier ist die DKW mal vor 20 Jahren gebaut worden geht es weiter über Nürnberg und ab hier wieder auf die Autobahn. Spät abends komme ich im strömenden Regen in Dortmund an. Wir (meine DKW und ich) haben nun in 6 Tagen ca. 2700 Km hinter uns gelassen.

Bitte bis hierhin die schlechte Bildqualität entschuldigen, ich hatte damals nur eine billige Kleinbildkamera dabei.





30 Jahre danach gibt es ein Revival:





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Anfang September 2008.
Es ist schönes Wetter und ich habe mir 10 Tage Urlaub genommen. Meine DKW und ich sind etwas in die Jahre gekommen (ich weiß, das Motorrad hat sich etwas besser gehalten als ich), aber, können wir es noch?
Versuch macht Klug, wie man so schön sagt. Also 35 Kg Gepäck auf den eigens dafür angefertigten Gepäckträger und im Tankrucksack verteilt und los geht`s.

Sonntagmorgen 8 Uhr.
Abfahrt bei schönstem Sonnenschein. Anfangs über meine Hausstrecken durch das immer wieder begeisternde Sauerland , die Rhön durchstreift (auch nicht schlecht), gelange ich schließlich in den Spessart. Offenbar habe ich mein Navi (klar, totaler Stilbruch, aber praktisch) gut programmiert, denn es geht nur über kurvenreiche, verkehrsarme und landschaftlich attraktive Straßen weiter nach Wertheim. Die romantische Straße ist mal wieder ein Genuß. Vorbei an Obstplantagen die sich abwechseln mit Weinanbaugebieten und verträumten kleinen Ortschaften wie z.B. Tauberzell nähere ich mich langsam Rothenburg ob der Tauber.


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Dieser weltbekannte Ort ist leider vom Massentourismus total überrollt worden. Dazu muß ich nicht auch noch beitragen. Also schnell 2 Fotos geschossen und weiter in Richtung Dinkelsbühl.
Der Zweitakteintopf unter mir brummt bei 80 Sachen sein gleichmäßiges Lied. Plötzlich mischt sich ein dumpfes Grollen dazu. Schon überholt mich eine schwere Harley, der vollbärtige Fahrer wirft mir unter seiner Halbschale ein fettes Grinsen zu, reckt den rechten Daumen nach oben und...... Gaaaas, entschwindet er am Horizont. Na ja, hat wohl irgendwie auch was. Gegen 19 Uhr erreiche ich nach 520 Kilometern das sehenswerte Städtchen Dinkelsbühl. Allerhöchste Zeit, sich auf Zimmersuche zu begeben.


Montagmorgen 7 Uhr.
Die Weckmelodie meines Handys reißt mich aus dem Schlaf. Ein Blick aus dem Fenster zeigt mir, daß es nachts etwas geregnet hat, aber nun lacht schon wieder die Sonne. Ideale Bedingungen.
Der Zweitakter nimmt beim zweiten Tritt auf dem Kickstarter wie gewohnt seine Arbeit auf. Bis Donauwörth genieße ich das Gleiten durch die schöne Landschaft.


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Danach wird es in Richtung Augsburg doch etwas eintönig, keine Kurven und nun wird die Bundesstraße auch noch zur vierspurigen Schnellstraße. Hochaufbauende, turbodieselgetriebene, meist schwarzlackierte Luxuslimousinen rauschen links an mir mit einem derartigen Geschwindigkeitsüberschuß vorbei, daß meine alte Diva bis zu einem halben Meter nach rechts versetzt. Nee, das gab es `78 noch nicht.
Augsburg. Baustellen. Chaos. Trotz GPS verfahre ich mich. Bin froh, daß ich da wieder rausgefunden habe.
Aber jetzt, auf dem Weg zum Ammersee macht das fahren wieder richtig Spaß. Am Strand von Utting am Ammersee genieße ich nun erst mal einen Capuccino. "ja, Mensch, eine DKW, habe ich doch gleich am Klang erkannt" kommt ein älterer Herr auf mich zu. "Richtig, der Klang ist einzigartig" stimme ich ihm zu. Und so fachsimpeln wir noch lange über das Für und Wieder des Zweitaktprinzips.
Weiter geht es nach Weilheim. Hier sehe ich erstmals in der Ferne das beeindruckende Panorama der Alpen. Aber bevor die in Angriff genommen werden besichtige ich erstmal das Dominikanerkloster in Polling, das hatte ich 1964 als Neunjähriger schon mal besichtigen müssen. Hat sich soweit ich es noch beurteilen kann kaum verändert.

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Jetzt aber ab nach Bad Tölz und hinein in die Berge. Vorbei an Kufstein geht es bis nach Lofer. Das fahren in den Alpen ist immer wieder etwas besonderes, aber die richtigen Pässe habe ich noch vor mir. Gegen 19 Uhr komme ich in Lofer an. Knappe 400 Km sollen für Heute reichen. Zimmersuche.





Dienstagmorgen 9 Uhr.
Die Katze, die es sich auf dem Sitzkissen meiner DKW bequem gemacht hat (das Tier kennt sich aus), muß ich erstmal davon überzeugen, daß ich an ihrer Stelle dort Platz nehmen möchte. Die Sache ist schnell geklärt (die Kratzer auf meinem Handrücken sind mittlerweile gut geheilt) und es geht weiter.


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Über Saalfelden in Richtung Bischofshofen geht es am Hochkönig vorbei. Sonne, traumhafte Landschaft, geniale Kurvenkombinationen, griffiger Asphalt: Motorradfahren in höchster Faszination. Da stört es auch nicht, daß entgegenkommende Motorradfahrer in den seltesten Fällen die Hand zum Gruß erheben, daran habe ich mich auf dieser Maschine schon lange gewöhnt. Wenn doch, dann grüßen in der Regel Leute aus der Knieschleiferfraktion.
Die Radstätter Tauern fordern das letzte Zehntel PS, aber bangemachen gilt nicht. Der Katschberg ist noch ein klein wenig heftiger. Bis im 2ten zurückgeschaltet und knapp Vollgas. Knappe 10 Pferdchen sollten jetzt an der Kette reißen, doch die Steigung bremst sie bei 45 Km/h wieder ein. Nachdem der Gipfel erklommen ist, geht es ebenso Steil wieder herunter. Da ein Bremsmoment beim Zweitakter praktisch kaum vorhanden ist, muß ich die Trommelbremsen schon fast vergewaltigen. Aber auch ohne ABS bleiben die Räder immer ein gutes Stück von der Blockiergrenze entfernt. Tja, soweit waren die schon 1958.
In Kärnten angekommen, nähere ich mich langsam Spittal. Von hier aus ist es nicht mehr weit bis zu meinem Tagesziel St. Lorenzen im Gitschtal bei Hermagor. Dort treffe ich nach heute gefahrenen 260 Kilometern gegen 15 Uhr ein und lasse mich in der sehr gastfreundlichen Pension "Rieder" auf einem Bauernhof gelegen nieder. Die Wirtsleute kenne ich schon seit 25 Jahren. Kalle und Eva haben viel zu erzählen. Dabei fließt dann auch der eine oder andere selbstgebrannte "Stamperl" die Kehlen hinunter und sorgt für die richtige Bettschwere.






Mittwochmorgen beim Frühstück. „ Wann kommst du auf dem Rückweg denn wieder bei uns vorbei ?“ fragt Kalle. „Wird wohl am kommenden Wochenende sein“ antworte ich. „ Hast du Schneeketten dabei ?“ , „Warum ?“ , „Wir beginnen jetzt mit dem Almabtrieb, für Samstag ist Schnee bis herab auf 1200 Meter vorhergesagt worden“.
Verdammt, jetzt habe ich ein Problem. Ich habe 3 Pässe eingeplant von denen jeder deutlich über 2000 Höhenmeter hat. Im Schnee auf 2 Rädern brauche ich das nicht, aus dem Alter bin ich raus. Der Felberntauerntunnel wäre eine Alternative für den Rückweg, aber mittlerweile für mich völlig unattraktiv.
Ich disponiere um und verabschiede mich schweren Herzens von dem Gedanken noch bis nach Opatija zu kommen.
Für heute und morgen sind immerhin noch Sonne und Temperaturen bis 26 Grad angesagt. Also erst mal kurz das Motorrad durchschecken (alles bestens, selbst die Kette braucht nicht nachgespannt zu werden) und dann starte ich zu einer kleinen Kärnten Rundfahrt. Von Hermagor nach Kötschach­Mauthen, dann über den Gailberg Sattel (hat seinem Namen wohl wegen der geilen Kurven), weiter nach Greifenburg.
Hinter einer Kurve überbremst ein vor mir fahrender Varadero - Fahrer sein Vorderrad und rutscht kopfüber in den Graben. Fahrer zum Glück wohlauf, Maschine etwas zerkratzt. Er hatte zu spät erkannt, daß die vor ihm fahrenden Autos ein Bremsmanöver eingeleitet haben. Nachdem ich tatkräftig bei der Bergung der Honda mitgeholfen habe, geht es weiter. Kurz vor Greifenburg zweigt links eine kleine Straße ab zur Emberger Alm. Das lasse ich mir nicht nehmen, denn die Aussicht dort oben ist grandios. Über unzählige Kehren geht es scheinbar endlos hinauf. Den Zweitakter kann das heute garnicht beeindrucken, ohne Gepäck zieht er stramm da hoch. Wie sagte man schon in den 30ern des letzten Jahrhunderts? „ DKW, Das Kleine Wunder, zieht bergauf wie andere runter“ . Ja, ja, da ist was dran.


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Oben angekommen genieße ich den Ausblick über Kärnten, sehe herab auf den Weißensee und am Horizont erkenne ich die Karawanken, herrlich. Wenn ich meinen Plan eingehalten hätte, wäre ich da heute rüber. Na gut, sollte nicht sein. Nun noch den MP 3 Player aus dem Tankrucksack gekramt und zu den Klängen von „Atom Heart Mother“ ( Pink Floyd) relaxt. Das hat was.
Zeit, weiterzufahren. Bei der Abfahrt werden die Bremsen dermaßen gefordert, daß sich der Klarlack auf den Bremstrommeln gelb verfärbt. Das hat selbst der Katschberg nicht geschafft. Aber Sie halten ohne nennenswertes Fading durch.
Hinter Spittal biege ich rechts ab und gelange irgendwann zum Ostufer des über 1000 Meter hoch gelegenen Weißensee`s. Eine Idylle.

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Nun noch weiter hinauf zur „windischen Höhe“ und dann ist es auch nicht mehr weit nach Hermagor. In einem kleinen Cafe` gönne ich mir einen Cappucino. Dabei überlege ich mir wie es nun weitergehen soll und fasse den entgültigen Entschluß, morgen aufgrund des zu erwartenden Kälteeinbruchs den Rückweg anzutreten. Aber nicht auf dem direkten Weg, da muß ich wenigstens Südtirol streifen und mir ein paar schöne Pässe einbauen.


Donnerstagmorgen,

Die Sonne brennt durch die Balkontür, das Quecksilber des Thermometers (nix Digital) klettert schon über die 20° Marke.

Das wird ein schöner Tag, vor mir liegen nur Traumstrecken.

Um halb Zehn geht es mit der bepackten Maschine los. Erst mal wieder Kötschach-Mauthen und dann hinein ins wunderschöne Lesachtal. Enge, verwinkelte Kurven mit holprigen Asphalt wechseln sich ab mit weitläufigen griffigen Kurven, die dafür benötigte Konzentration läßt mich nicht jedes Detail der tollen Landschaft aufnehmen. Die Reifenflanken wollen auf Temperatur gehalten werden. So denkt wohl auch der Fahrer der 998er Ducati vor mir. Das Knie auf dem Asphalt ohne nennenswerte Schräglagen bei Geschwindigkeiten zwischen 40 und 70 Km/h sieht nicht wirklich prickelnd aus, aber der 190er auf dem Hinterrad muß ja auch überlistet werden. In den großen Kurvenradien passt es aber und ich genieße noch für einige Sekunden den famosen Sound des nun enteilenden italienischen Twins. Bella Maccina, oder wie das heißt.

Am Ende des Lesachtals geht es dann über Bruneck, Brixen bis nach Sterzing. Diese Strecke ist nicht gerade reizvoll doch es geht mit 80 Km//h gut voran. Endlich bin ich an der Einfahrt zum Jaufenpass. Es ist noch sehr warm, aber erste Wolken ziehen auf. Was soll`s, hinein ins Kurvenlabyrint. Ich schraube mich hinauf und schon bald habe ich die Baumgrenze unter mir gelassen. Dritter und vierter Gang haben Pause, nach den Kehren tut sich manchmal schon der zweite schwer. Es dürften doch 5 Nm mehr Drehmoment sein. Man spürt förmlich wie der Motor um jedes einzelne Newton ringt.

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Auf der Passhöhe gönne ich uns eine kleine Pause. Die Vielzahl anwesender Motorradfahrer würdigen uns keines Blickes, ist sicherlich was alltägliches das ein 50 Jahre altes Krad sich und seinen Fahrer vollbepackt hier heraufquält. Na ja, schließlich fehlen ja auch 3 Zylinder und 16 Ventile. Das erklärt vermutlich auch die geringe Grußquote.

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Hinab ins Tal geht es recht zügig, um dann gleich den Aufstieg zum Timmelsjoch in Angriff zu nehmen. Auf dem Weg zur Passhöhe brauen sich immer mehr Wolken zusammen.
Zu allem Überfluß setzt plötzlich der Motor aus. Sillstand. Nichts geht mehr. Keine Zündung, kein Licht, keine elektrische Regung mehr. Nach 15minütiger Suche werde ich fündig: Im Scheinwerfer hat das Hauptstromkabel an der Sicherung keinen Kontakt mehr. Mittels einer lüsterklemme ist das schnell provisorisch geflickt und weiter geht es.


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Auf dem Gipfel prallen erste Regentropfen gegen das Visier. Der Asphalt wird naß und glitschig. Vorsichtig taste ich mich durch enge Kehren ins Tal.
Der Regen wird immer stärker, aber das Hantenjoch muß noch sein. Beim Aufstieg laufen Sturzbäche über die Straße, die Pirellis kommen mit der Wasserverdrängung kaum noch nach. Blitz und Donner entfalten sich beängstigend nah. Immerhin liegt das Verkehrsaufkommen bei Null, aber die Temperaturen auch nicht weit darüber. Ein heftiger Vorderradrutscher sorgt für einen ebenso heftigen Adrenalinstoß. Gerade eben noch mal abgefangen. Glück gehabt.
Nee, eigentlich reicht es jetzt. Lediglich der Zweitakter zeigt sich unbeeindruckt und schnurrt jetzt wassergekühlt hinab ins Lechtal. Hier finde ich gegen 19 Uhr in Weißenbach ein Zimmer.
Das war ein anstrengender Tag.



Freitagmorgen,

Beim Frühstück komme ich mit einem älteren Herrn ins Gespräch. In seiner aktiven Zeit war er als Versuchsingenieur bei „Mahle“ (renommierter Kolbenhersteller) tätig. So konnte er viel Interessantes über verschiedene Kolbenentwicklungen zum Besten geben.
Um 9 Uhr geht es dann bei durchwachsenem Wetter weiter. Der Gaichpass setzt noch mal einen kleinen Höhepunkt. Über Immenstadt gelange ich ins Schwabenland. Stuttgart wird weiträumig östlich umgangen. Das Fahren ist nicht sehr reizvoll, habe mir hier wohl nicht die richtigen Strecken rausgesucht, oder bin von den Alpen zu sehr verwöhnt. In Bietigheim ( war Kamikaze Gustav nicht ein Bietigheimer?) gerate ich auch noch in den Feierabendverkehr, das ist extrem quälend und zeitraubend. Irgendwie schaffe ich es im Regen noch bis nach Sinsheim. Es ist 19 Uhr und somit Zeit ein Zimmer zu suchen.



Samstagmorgen,

Dauerregen, ein Wetter zum vergessen, wie schon vor 30 Jahren auf der Rückfahrt. Aber Moment, Sinsheim! Dort gibt es in der Nähe nicht nur den zur Zeit besten deutschen Fußballverein, sondern, viel wichtiger, ein hochinteressantes Technikmuseum. Also, nichts wie hin, das ist überdacht.
Schon die Einfahrt ist beeindruckend. Auf dem Dach stehen zwei Überschallflugzeuge vom Typ „Concorde“. Drinnen sind beinahe sämtliche Fahrzeug- und Flugzeuggattungen der letzten 120 Jahre, oft im Bestzustand ausgestellt. Sensationell! Das genauer zu beschreiben würde den Rahmen sprengen. Kann man wirklich weiter empfehlen.


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Dabei ist mir die Zeit komplett weggelaufen. Erst gegen halb Drei betätige ich den Kickstarter meiner DKW und stemme mich dem Regen entgegen. Die Strecke ist trostlos, es heißt nun Kilometer machen. Heidelberg setzt noch mal Akzente, jedoch für eine Besichtigung passt das Wetter nicht.
Aber dann, ab Taunusstein reißen die Wolken auf und zeitgleich wird es bergig, kurvig und waldreich, dazu enge Straßen, so wie ich es liebe. Während die Sonne am Horizont einen ihrer wunderschönsten Untergänge hinlegt erreiche ich Holzappel. In diesem kleinen Ort, nahe des Gelbachtals bei Montabaur finde ich gegen 19 Uhr 30 eine kleine Pension zum übernachten.


Sonntagmorgen,

durch das halb heruntergelassene Rollo schlängeln sich Sonnenstrahlen und lassen endlich wieder schönes Wetter erahnen. Tatsächlich, kein Wölkchen trübt den Himmel. Die Temperatur pegelt sich bei 8° ein. Um 9 Uhr breche ich auf. Es geht über einsame verwinkelte Straßen in Richtung Montabaur. Die sauerstoffreiche Luft läßt den kleinen Eintopf zur Höchstform auflaufen, er nimmt die meisten Steigungen locker im vierten. Die hinter mir stehende Sonne leuchtet die wunderbare Landschaft grandios aus, dieses Farbenspiel erlebt man nur im Spätsommer.
Vorbei an Montabaur nehme ich nun Kurs auf das Wiedtal. Hier folge ich einige Kilometer dem Verlauf der Wied, die sich in mehr oder weniger großen Radien durch den Westerwald schlängelt. Toll. Weiter geht es nach Eckenhagen, wo ich mich schon wieder auf meinen Hausstrecken bewege. Da ich noch gut in der Zeit bin und das Wetter nicht schöner sein könnte, fahre ich noch einen kleinen Umweg zur Biggetalsperre. Am dortigen Motorradtreffpunkt herrscht ein Riesenrummel. Mit Mühe finde ich für meine bepackte DKW noch ein Platz zwischen den Superbikes. Bei einem Kaffee beobachte ich das Treiben. Die alte Diva (so bezeichnete ich sie schon, bevor es die Diversion gab) fällt niemanden auf, dafür aber umso mehr die locker vorgetragenen „Wheelies“ und „Stoppies“ einiger Spezialisten. Nee, nee, nichts für mich, also weiter.
Es folgen noch die Listertalsperre, das schöne Kleinod Fürwiggetalsperre und die Versetalsperre. In der Nähe von Lüdenscheid lege ich an einem Wildgehege eine letzte Pause ein. Am hiesigen Motorradtreff lassen sich häufig auch Oldtimer bewundern.
Prompt werde ich gefragt, wo ich mit dem Gepäck noch hinwolle. „Ich komme gerade aus Südtirol“ meine Antwort. „Ach so, ja, ich war mit meiner MZ auch erst letzte Woche in Sibirien“ tönte es zurück.

Nach weiteren 50Kilometern komme ich gegen 15 Uhr zu Hause an und kann endlich meine Lieben in die Arme schließen.


Ich würde es noch einmal tun, vielleicht in 10 Jahren?


Für die, Die es interessiert:
Gesamtstrecke 2580 Km in insgesamt 8 Tagen,
nicht einen Kilometer Autobahn,
Verbrauch 94 Liter Zweitaktgemisch
entspricht 3,65 Liter/ 100 Km



So, das war es, ich hoffe, der eine oder andere hatte etwas Spaß beim lesen.




Hier nochmal ein ziemlich aktuelles Foto von dem Oldie, wird allerdings überstrahlt von einem weitaus schöneren Motorrad.


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Mittlerweile hat es wieder ein Update gegeben, optisch nicht ganz überzeugend, aber die Schwinge gehört da eigentlich rein:

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_________________

_________________
Gruß
Ronald

jeder Diesel der nicht vor mir fährt ist ein guter Diesel


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 Betreff des Beitrags:
Verfasst: So 20. Aug 2017, 17:24 


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BeitragVerfasst: Mo 21. Aug 2017, 21:45 
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Registriert: Mo 6. Okt 2014, 17:02
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Ich bin schwer beeindruckt.
Gruß Rainer

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es ist gut dass es noch nicht fertig ist.


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